Das Autonome Mädchenhaus Kiel, gegründet 1989, ist eine anerkannte Jugend­hilfeeinrichtung mit über 35-jähriger Erfahrung in parteilich feministischer Arbeit mit und für Mädchen* und junge Frauen*. Das Mädchenhaus befindet sich in der Trägerschaft des Vereines Lotta e.V. – Verein zur Förderung feministischer Mädchen- und Frauenarbeit.

Das Leitbild des Trägervereines Lotta e.V. ist die Basis der Arbeit des Mädchenhauses und findet im Leitbild des Mädchenhauses seine Ergänzung.

Das Mädchenhaus mit seinen spezifischen Angeboten und anonymen Schutzräumen ist bisher in Schleswig-Holstein einmalig. Mädchen* und junge Frauen* im Alter von 13 bis 27 Jahren nehmen die verschiedenen Angebote des Mädchenhauses in Anspruch.

Innerhalb des Leitbildes sprechen wir von Mädchen* und jungen Frauen*, gemeint sind aber alle Personen, die sich mit den Begrifflichkeiten identifizieren. Das * in unserer Arbeit steht für all die Personen, die sich keinem binären Geschlecht oder ihrem Geburtsgeschlecht zuordnen und unsere Angebote nutzen. Wir befinden uns mit unserer Arbeit in einem steten Wandel und halten diesen transparent.

Unser Auftrag

Unsere Arbeit umfasst die Förderung und den Erhalt von niedrig­schwelligen spezifischen Angeboten, welche Information, Beratung und Betreuung beinhalten. Wir verstehen diese Angebote als Selbstbewusstsein fördernde, anti­dis­kri­minierende und anti­rassistische Lern- und Lebensorte sowie als Schutzräume für Mädchen* und junge Frauen*. Die feministische und intersektionale Grundhaltung des Mädchenhauses und seiner Mitarbeiterinnen* basiert auf dem Bewusstsein der gesellschaftlichen Verhältnisse und Diskriminierungsformen. Sie setzt die Gleichheit in den Rechten aller Menschen bei gleichzeitiger Akzeptanz der Unterschiedlichkeiten voraus.

Parteilichkeit, Freiwilligkeit, Selbstbestimmung, Partizipation und Selbstverantwortung stehen im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns. Wir gehen hierbei von der Lernfähigkeit, der Eigenverantwortung und der Möglichkeit einer Veränderung und Weiterentwicklung eines jeden Menschen aus. In diesem Prozess sehen wir uns als Unterstützerinnen*, Beraterinnen* und Begleiterinnen*. Die jungen Menschen sind die Expert*innen ihrer Lebenssituation, in ihnen selbst liegen die Ressourcen und die Kompetenzen für die Bewältigung ihrer gegenwärtigen Themen oder Herausforderungen. Parteilichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung ihrer Interessen, die Stärkung ihrer Person im Kontext ihrer (aktuellen) Lebenssituation sowie die Begleitung und Anleitung zur Selbsthilfe, bei einem gleichzeitigen Blick auf realistische Chancen und Möglichkeiten. Hierbei arbeitet das Autonome Mädchenhaus Kiel transparent und stets so, dass die Ressourcen des jungen Menschen im Vordergrund stehen, das Netzwerk ausgebaut wird und wir neben der parteilichen Haltung Raum für partizipative Gestaltung bieten.

Für die Landeshauptstadt Kiel aber auch für andere öffentliche Jugendhilfeträger übernimmt das Mädchenhaus Teile des gesetzlichen Auftrages der Beratung, Betreuung und des Schutzes von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Darüber hinaus stellt das Mädchenhaus die beratenden Angebote auch Personen aus dem sozialen und professionellen Umfeld im Sinne der Netzwerkarbeit der jungen Menschen sowie anderen Jugendhilfe- und Bildungsträgern zur Verfügung. Eine weitere Aufgabe erfüllt das Mädchenhaus in der Sensibilisierung und Aufklärung der allgemeinen Öffentlichkeit sowie der Fachwelt zum Thema Gewalt gegen Mädchen* und junge Frauen* und patriarchaler Gewalt.

Unser Ziel

Ziel aller Angebote und des pädagogischen Handels des Mädchenhauses ist es, Mädchen* und jungen Frauen*

  • die von psychischer, körperlicher, rassistischer, digitaler, genderspezifischer bzw. patriarchaler und/oder sexualisierter Gewalt bedroht oder betroffen sind,
  • sich in einer Notlage befinden oder
  • einen Informationsbedarf haben

Beratung, Betreuung und/oder Schutz anzubieten. Das Spektrum der Hilfsangebote reicht von einer informellen Beratung, mehrmalige Beratungssituationen, über Krisenintervention bis hin zur Inobhutnahme/Krisenunterbringung und längerfristiger Betreuung.

Unser Ziel ist es, die Mädchen* und jungen Frauen* dahingehend zu unterstützen, dass sie ihre eigenen Ressourcen aktivieren, um ihre aktuelle Lebenssituation verändern zu können. Der Aufbau und die Stabilisierung von verlässlichen Netzwerken soll die Mädchen* und jungen Frauen* hierbei unterstützen und für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben handlungsfähig machen.

Unser Team

Die Mitarbeiterinnen* des Mädchenhauses sind pädagogisch ausgebildet und qualifiziert. Sie bilden sich jedes Jahr durch interne und externe Fortbildungen weiter, um den Mädchen* und jungen Frauen* die best­mögliche professionelle Unterstützung anbieten zu können.

Durch Erfahrungen und fundiertes Wissen im Bereich Krisenmanagement, der Arbeit mit Menschen, die von Rassismus und anderen Diskriminierungsformen betroffen sind, sowie den Folgen von Traumatisierungen durch Gewalt und sexuelle Übergriffe sind die Mitarbeiterinnen* befähigt, auf individuelle Lebensumstände der Mädchen* und jungen Frauen* einzugehen.

Unsere Mitarbeiterinnen* zeichnen sich durch ein hohes Engagement und eine starke Identifikation mit den Grundsätzen des Mädchenhauses aus. Zudem ermöglichen die guten Kenntnisse der örtlichen und überregionalen Hilfesysteme eine schnelle Aktivierung von weiteren Unterstützungsangeboten. Aus der kooperativen Zusammenarbeit mit den Unter­stüt­zungs­netzen und Zuständigkeitsinstitutionen wie z.B. Jugendamt, Schule und Ausbildungsträgern entsteht u.a. die Basis für tragfähige Lösungen.

Das Team des Mädchenhauses ist kulturell vielfältig und setzt sich aus FLINTA*[1] Mitarbeiterinnen* mit unterschiedlichen biographischen Hintergründen und Lebensentwürfen zusammen. Es zeichnet sich durch ein hohes Maß an Engagement und Kompetenz aus. Die Flexibilität im Gesamtkonzept des Mädchenhauses sowie bei jeder einzelnen Mitarbeiterin* gewährleistet adäquate und verlässliche Interventionsmöglichkeiten im Sinne der Mädchen* und jungen Frauen* und die Erfüllung des Beratungs-, Betreuungs- und Schutzauftrages. Regelmäßige Teamsitzungen, Supervision, Fort- und Weiterbildungen erhöhen die Handlungsfähigkeit und erhalten ebenso die Belastbarkeit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen*.


[1] Frauen,Lesben,Inter,Nichtbinär,Trans,Agender

Unser Angebot

Die Angebote des Mädchenhauses untergliedern sich in vier Bereiche. Alle dem Mädchenhaus zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sowie deren Ausstattung und Gestaltung fördern die Niedrigschwelligkeit der Angebote und vermitteln eine Atmosphäre des Willkommen- und Aufgehobenseins.

  • Die öffentlich zugängliche Anlauf- und Beratungsstelle mit ihren festen Öffnungszeiten und guter Erreichbarkeit ermöglicht Mädchen* und jungen Frauen* (ab 12 Jahren) das Einholen von Informationen sowie eine individuelle Beratung und Unterstützung. Des Weiteren werden Präventions- und Unterstützungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene sowie für das soziale und professionelle Umfeld bereitgestellt. Darüber hinaus wird über die Anlauf- und Beratungsstelle auch eine sichere online Beratung angeboten, welche anonym erfolgen kann.
  • Die Zufluchtsstätte bietet mit sieben Plätzen Schutz und vorübergehende Krisenunterbringung/Inobhutnahme für Mädchen* und junge Frauen* von 13 bis 20 Jahren in Not-/Krisensituationen. Die Adresse der Zufluchtsstätte ist anonym, um insbesondere von Gewalt und Bedrohung, auch von starker patriarchaler Gewalt, wie bspw. Androhung einer Zwangsehe oder Femizid, betroffenen Mädchen und junge Frauen aufnehmen zu können. Eine 24-stündige Betreuung und telefonische Erreichbarkeit sowie die Flexibilität der Mitarbeiterinnen* ermöglichen schnelle Handlungsfähigkeit und Aufnahmen rund um die Uhr.
  • Die Wohn- und Verselbständigungsgruppe mit drei Plätzen bietet für Mädchen* und junge Frauen*, die sich in der Verselbständigungsphase befinden, jedoch übergangsweise noch engere Betreuung und Unterstützung benötigen, einen verlässlichen Rahmen auf dem Weg in die eigenverantwortliche Selbständigkeit.
  • Die Flexiblen/Ambulanten Hilfen begleiten und unterstützen Mädchen* und junge Frauen* in ihrem jeweiligen Lebensumfeld und sind auf ihre individuelle Situation zugeschnitten.
Unser Erfolg

Unsere Arbeit ist dann gelungen, wenn die jungen Menschen, die die Angebote des Mädchenhauses in Anspruch genommen haben,

  • dieses mit einem erweiterten Wissen hinsichtlich ihrer Rechte und Möglichkeiten verlassen,
  • ihr Repertoire an Lösungsstrategien und Konfliktbewältigungs­kompetenzen erweitert haben,
  • den Wert ihrer eigenen Ressourcen erkannt haben,
  • sich ihrer Zielvorstellungen, ihrer Wünsche und Bedürfnisse bewusst geworden und befähigt sind, diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch- und/oder umzusetzen, bzw. den Weg dorthin zu beschreiten.

Darüber hinaus sehen wir unsere Arbeit als gelungen an, wenn

  • die Zusammenarbeit mit dem professionellen und persönlichen Umfeld zum Wohle der Mädchen* und jungen Frauen* erfolgt und sie ebenso auf ihrem weiteren Weg unterstützt,
  • der gesetzliche Auftrag des Schutzes von Mädchen* und jungen Frauen* durch die Angebote des Autonomen Mädchenhauses erfüllt wird,
  • Ressourcen und Netzwerk der jungen Menschen beachtet und geachtet, sowie ausgebaut werden,
  • die jungen Menschen die Möglichkeit haben, im Sinne von Partizipation ihre eigene Stimme zu nutzen und einzusetzen,
  • öffentliche Jugendhilfeträger, das Jugendamt und andere Auftraggeber unsere Angebote in Anspruch nehmen, wir mit ihnen gut kooperieren und positive Resonanz erhalten.

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