Über 100 Fachfrauen aus dem ganzen Bundesgebiet haben an zwei aufeinander folgenden Tagen ihre Erfahrungen zum Thema Gewalt an Mädchen und jungen Frauen ausgetauscht und sich mit aktuellen Fragestellungen und Bedarfen der Zielgruppe auseinandergesetzt. Dieses Jahr hat das Mädchenhaus Bielefeld e.V. die Fachtagung ausgerichtet. Die Fachfrauen kamen aus den Bereichen (anonyme) Inobhutnahmestellen, Clearinghäuser für unbegleitete Mädchen und junge Frauen, Wohnangebote, Mädchenberatungsstellen, Präventionsangebote und Mädchentreffs und arbeiten mit und nach einer feministisch parteilichen Grundhaltung.
Neben dem wichtigen Austausch über alte und neue Herausforderungen in der Mädchenarbeit standen in diesem Jahr insbesondere die Themen „Gewalt gegen Mädchen mit Behinderung“, „Zwangsprostitution“, „Geschlechtervielfalt in der Mädchenarbeit“, „Barrierefreiheit in der Mädchenarbeit“, „Genitalbeschneidung von Mädchen“, „Zwangsverheiratung“, „Umgang mit sogenanntem Hochrisikoklientel in der Inobhutnahme“, „Mädchensicherer Umgang mit Internet und sozialen Medien“ und „Gewalt gegen Mädchen in intimen Teenagerbeziehungen“ im Fokus der Teilnehmerinnen.
Die Fachfrauen stellten viele Gemeinsamkeiten in der Erfahrung mit den Mädchen und jungen Frauen fest, sowohl in Bezug auf die Bedarfslage als auch in Bezug auf die Hürden und Grenzen in der Hilfegewährung durch Jugendamt und SGBII. Immer noch und überall in Deutschland sind Mädchen und junge Frauen von struktureller, psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen.
Sie brauchen nach wie vor die Bereitstellung von mädchengerechten „Räumen“ und „Angeboten“, in denen sie sich gewaltfrei entwickeln und auseinandersetzen können sowie Schutz, parteiliche Beratung und Therapie nach Gewalterfahrungen.
Es wurde deutlich, dass in allen Regionen Deutschlands insbesondere die jungen Volljährigen viel Unterstützung benötigen und gleichzeitig die Bewilligung der Finanzierung adäquater Unterstützung besonders erschwert wird. Hier sind die jungen Volljährigen auf die ‚Hartnäckigkeit‘ und Ausdauer der Mitarbeiterinnen angewiesen, die sie bei der Antragsstellung auf SGB II- und SGBVIII- Leistungen, Bafög etc. begleiten und sie durch den Antragsdschungel lotsen.
Auch die sogenannten Systemsprengerinnen, d.h. Mädchen und junge Frauen, die schon über eine lange Geschichte in diversen Einrichtungen verfügen und aufgrund ihrer (Gewalt-) Erfahrung besondere „Räume“ brauchen, werden in ihrem Bedarfen und Bedürftigkeiten in den Einrichtungen der Mädchenhäuser seit jeher wahrgenommen und unterstützt.
Wie wichtig mädchengerechte Zugangswege sind und dass die Fachfrauen stetig im Prozess und auf dem Weg sein müssen, um niedrigschwellige Angebote wie Erklärvideos im Netz, Instagram Posts, barrierearme Websites etc. zu initiieren, zeigten zahlreiche neue Öffentlichkeitsprodukte, die sich die Teilnehmerinnen gegenseitig vorstellten. Es wurde spürbar, dass alle durch die Fachfrauen vertretene Einrichtungen daran interessiert sind, Schritte in Richtung Inklusion bezüglich aller Bereiche gesellschaftlicher Diversität voran zu treiben.
Trotz der schweren Themen, die besprochen und bearbeitet wurden, konnten die Teilnehmerinnen u.a. durch die Vernetzungs-Erfahrung viel Kraft, Mut, Ideen und Solidarität in ihren Arbeitsalltag mitnehmen, um sich dort weiter für Gewaltfreiheit, Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und Teilhabe von Mädchen und jungen Frauen einzusetzen.